Strategische und technische Planung von Lkw-Ladeparks an Autobahnstandorten

Hintergrund

Im Rahmen des Projekts HoLa wurde durch das Fraunhofer IAO ein simulationsbasiertes Analysetool entwickelt, um die strategische und technische Planung von Lade- und Energieinfrastrukturen an Autobahnraststätten zu unterstützen. Der Fokus liegt auf der Versorgung von schweren E‑Lkw im Fernverkehr, mittels Megawatt-Ladesystemen (MCS) für die Zwischenladung in den Fahrpausen und Nachtlademöglichkeiten (NCS) mit geringerer Leistung für längere Ruhezeiten.

Mit dem hier vorliegenden Online-Tool sollen dem Anwender Einblicke in die Analysen für einen Referenzstandort mit 100 Lkw-Parkplätzen an der Autobahn A2 in Deutschland ermöglicht werden. Insbesondere werden die Auswirkungen verschiedener Randbedingungen auf das Energiesystem und die Servicequalität am Standort vermittelt. Die Ergebnisse basieren auf Simulationen über ein Jahr in Minutenauflösung. 

Weitere Informationen sind hier zu finden. 

Interaktives Online-Tool

Einflussgrößen

Anteil der elektrischen Lkw

Der Anteil der E-Lkw bezieht sich auf die im Tagesverlauf an der Raststätte ankommenden, schweren Fernverkehrs-Lkw. Grundlage hierfür ist ein Mobilitätsmodell auf Basis der Auslastung von realen Raststätten, Mobilitätsstudien und Verkehrszählungen an den Autobahnen. Bei den ankommenden E‑Lkw wird unterschieden, ob der Fahrer die Raststätte zur Pause (45 Minuten), zur Ruhe (9 oder 11 Stunden) oder zur Wochenruhe (45 Stunden) anfährt. Die Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Optionen hängen von der Tageszeit und vom Wochentag ab. Wie hoch der Anteil an E‑Lkw auf einer einzelnen Raststätte zukünftig sein wird, hängt neben den generellen Elektrifizierungsanteilen in Deutschland und Europa auch von der Verfügbarkeit alternativer Lademöglichkeiten im Umfeld ab.

Pausenladen vs. Bedarfsladen

Nach 4,5 Stunden Fahrt machen die Lkw-Fahrer in der Regel eine 45-Minutenpause. Während dieser Standzeit kann eine Zwischenladung mit dem MCS bei einer elektrischen Leistung von bis zu einem Megawatt erfolgen (Pausenladen). Alternativ kann auch nur der Bedarf für die Restfahrstrecke bis zum Tagesziel (zzgl. einer Reserve von 100 km) nachgeladen werden (Bedarfsladen). Der Ladepunkt wird in diesem Fall direkt wieder frei, die gesetzliche Pause muss jedoch andernorts zusätzlich erfolgen. Insbesondere bei größeren, noch recht vollen Batterien, geringen Restfahrstrecken oder noch höheren Ladeleistungen ist die Ladezeit bei der Bedarfsladung nur von kurzer Dauer und kann sehr flexibel durchgeführt werden (analog einem Tankvorgang).

Batteriegrößen der Fahrzeuge

Mit einer vorausgesetzten Vollladung über Nacht, hat die Batteriegröße der E-Lkw einen wesentlichen Einfluss auf den Mindestladebedarf bei der MCS-Zwischenladung. Im Gegensatz zum Pausenladen, mit grundsätzlich 45 Minuten Ladedauer für alle E-Lkw, kommt dieser bei der Bedarfsladung voll zum Tragen. Je größer die Batterie, desto höher der Restladestand vor der Zwischenladung und desto geringer der zusätzliche Energiebedarf zum erreichen des Tagesziels. Bei kürzeren Reststrecken kann der Ladebedarf während der 45-Minutenpause sogar komplett entfallen. Im Online-Tool können drei Batteriegrößen ausgewählt werden sowie ein Mischszenario mit Anteilen von 40/40/20% für die Batteriegrößen klein/mittel/groß.

Anzahl der Ladepunkte für MCS und NCS

Die MCS-Ladepunkte werden in der Regel tagsüber für die Pausen- oder Bedarfsladungen angefahren, die NCS-Ladepunkte kommen zumeist gegen Abend für die Nachtruhe zum Einsatz, insbesondere samstags aber auch tagsüber, zum Beginn der Wochenruhe vor dem Sonntagsfahrverbot. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Ladepunkte beeinflusst die Servicequalität am Standort sowie die elektrischen Spitzenlasten, welche über den lokalen Netzanschluss bereitgestellt werden müssen.

Ladeleistung für MCS und NCS

Die simulierten MCS-Ladepunkte können jeweils bis zu 1.000 kW Ladeleistung bereitstellen. Der zugrunde liegende MCS-Standard ist auch für höhere Ladeleistungen bis zu 3.750 kW definiert, mittelfristig entspricht dies jedoch noch nicht dem Stand der Technik. Für die NCS-Ladepunkte wurden jeweils bis zu 100 kW angesetzt, wodurch eine Vollladung über die minimale Ruhezeit von 9 Stunden in jedem Szenario ermöglicht wird. In vielen Fällen wäre eine maximale Ladeleistung von 50 kW ausreichend, insbesondere in Verbindung mit einer Vollladung bei der MCS-Zwischenladung (Option Pausenladen), bei kleinen Batteriegrößen und/oder längeren Ruhezeiten. Für die von den E‑Lkw tatsächlich abgerufenen Ladeleistungen wurden sowohl für MCS als auch für NCS typische Ladekurven hinterlegt, welche bei höheren Ladeständen zu absinkenden Ladeleistungen führen.

Ergebnisse

Servicequalität am Standort

Werden ausreichend Ladepunkte vorgegeben, können alle Ladebedarfe ohne Wartezeiten am Standort bedient werden. Im Ergebnis wird ersichtlich, wie viele der Ladepunkte maximal gleichzeitig belegt werden (Parken & Laden) oder maximal gleichzeitig belastet werden (nur Laden). Werden weniger Ladepunkte angesetzt, kommt es für einige E-Lkw zu Wartezeiten. Im Modell ist eine vom Ladestand der Batterie abhängige Wartebereitschaft hinterlegt. Wird diese überschritten, kann das Fahrzeug am Standort nicht bedient werden und es erfolgt keine Ladung.

Aufenthalts- und Ladezeiten

Die Anwesenheitsdauer am Ladepark definiert sich durch eine etwaige Wartezeit vor der Ladung zuzüglich der eigentlichen Standzeit am Ladepunkt. Letztere setzt sich aus der Ladedauer selbst und einer ggf. zusätzlichen Parkdauer nach vollendeter Ladung, bis zur Beendigung der Pausen- oder Ruhezeit zusammen. Bei der MCS-Zwischenladung wird der Ladepunkt entweder nur für die Bedarfsladung (ohne zusätzliche Parkdauer) oder über die komplette 45-Minutenpause belegt. Der Aufenthalt an den NCS-Ladepunkten umfasst in jedem Fall die komplette Ruhezeit bzw. Wochenruhezeit (9, 11 oder 45 Stunden). Aufgrund der langen Wochenruhezeit fällt der Mittelwert höher aus als die häufigeren Standzeiten von 9 und 11 Stunden. Die mittleren Wartezeiten beziehen sich jeweils nur auf die von Wartezeiten betroffenen Nutzer und wirken sich in vielen Szenarien somit kaum auf die mittlere Anwesenheitsdauer aller E-Lkw am Ladepark aus.

Spitzenlasten und Energieumsätze

Die Spitzenlasten werden für die MCS- und NCS-Ladepunkte getrennt berechnet sowie für den gesamten Ladepark angegeben. Der Wert für den Ladepark ist dabei in der Regel deutlich geringer als die Summe der beiden Einzelwerte für MCS und NCS. Dies liegt an den unterschiedlichen Tageszeiten oder Wochentagen, an denen die jeweiligen Spitzenlasten auftreten: bei MCS nachmittags unter der Woche, bei NCS abends unter der Woche und samstagmittags. Die Nutzung eines gemeinsamen Netzanschlusses wird aufgrund dieser Synergie dringend empfohlen.

Die Energieumsätze hängen im Wesentlichen von der Anzahl an bedienten Fahrzeugen ab und von der gewählten Option für die MCS-Zwischenladung (Pausenladen vs. Bedarfsladen). Wird bei der Zwischenladung nur der Bedarf gedeckt, erhöht sich der Energiebedarf bei der nachfolgenden Nachtladung, sofern die Fahrzeuge am Morgen wieder mit voller Batterie bereitstehen sollen.

Abschließende Bemerkungen

Das hier vorliegende Online-Tool kann nur einen Teil der Funktionalitäten des zugrunde liegenden Simulationstools und der zugehörigen Ergebnisinterpretationen abbilden. Neben den technischen Aspekten werden viele weitere strategische Fragestellungen adressiert: Wie viele Fahrzeuge warten gleichzeitig und wie können die Wartebereiche organisiert werden? Welchen Beitrag können Reservierungssysteme leisten? Wie können resiliente Prozesse ermöglicht werden, z. B. im Falle von Verspätungen und Ladeinfrastrukturausfällen? Wie können unterschiedliche Geschäftsmodelle und Preisgestaltungen das Nutzerverhalten beeinflussen? Zu welchen Rückkopplungseffekten auf die Eingangsgrößen führen Infrastrukturangebote sowie deren Randbedingungen und Einschränkungen?

Die Planung von Lkw-Ladeinfrastruktur und der Ausbau der übergeordneten Netze erfordern einen langen zeitlichen Vorlauf und müssen trotz aller Unsicherheiten bzgl. der Randbedingungen zügig vorangetrieben werden. Die im Projekt HoLa entwickelten Tools sollen diesen Prozess unterstützen und erleichtern.

Kontakt

Florian Klausmann

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO

Nobelstraße 12

70569 Stuttgart

Tel. +49 711 970-2315

E-Mail

Smart Energy and Mobility Solutions

Stand: 10/2024